Bildkompetenz 9: Pragmatik

Wer zwar das auf der piktoralen, referentiellen, exemplifikationalen und funktionalen Ebene durch ein Bild Mitgeteilte versteht, es aber nicht situationsbezogen interpretieren kann, dem fehlt die pragmatische Kompetenz, ein Bild als Bild wahrzunehmen. Er vermag keine Bildimplikationen zu konstruieren, die das im Bild Gezeigte auch in abgewandelten Situationen sinnvoll erscheinen lassen. Die Bedeutungsproduktionen durch Karikaturen bleibt ihm verschlossen. Posener (2003)
Zeige auf ein Stück Papier! - Und nun zeig auf seine Form - nun auf seine Farbe, nun auf seine Anzahl.... Nun, wie hast du es gemacht?
Ludwig Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen
Warum wir im Alltag derart kompetent (pragmatisch) mit Bildern umgehen können, mag daran liegen, dass die meisten alltäglichen Bilder unserer visuellen Orientierung dienen. Wir sind uns von jung an gewohnt, uns anhand von Bildern ins Bild zu setzen und uns damit zu orientieren. Bilder zeigen. Und es scheint, als täten sie dies von sich aus. Erst wenn wir dran gehen, Bildkritik zu üben oder selber Bilder herzustellen, ändert sich dies. Dann wird das Bild zum Problem.
Als Wittgenstein realisierte, dass Sprache an sich nicht logisch, sondern pragmatisch funktioniert, entwickelte er sein Konzept der Sprachformen im Sprachspiel als Lebensformen. Eine Lebensform des Bildes ist beispielsweise das Zeigen.
Didaktisch:
Pragmatisch geht es auch im Zeichen- oder Kunstunterricht oftmals zu. Dabei kann es allerdings passieren, dass die rezeptiven Erfahrungen und Erwartungen weit vor den entsprechenden praktischen Fähigkeiten rangieren. Die eigenen Bildprodukte sehen dann einfach nicht gut genug aus - wenn man sie mit den über Medien verbreiteten Vorbildern vergleicht.
  • Mitchell, W.J.T. (2008) Das Leben der Bilder. München: Beck.
  • Egenhofer, F. & Boehm, G. (2010) Zeigen. Die Rhetorik des Sichtbaren. München: Fink.