Das Eigenleben der Bilder

Christian Doelker, ein Pionier der Bildwissenschaft und Vordenker des Begriffs „Bildkompetenz“ spricht am Schluss seines Buches „Ein Bild ist mehr als ein Bild“ (1997) „vom Vergnügen, sich auf ein Bild einzulassen“. Was man - und er tut dies auf differenzierte Weise - auch immer über Bilder (und Bildkompetenz) aussagen kann - sie funktionieren auf ihre eigene, faszinierende Weise: „Es ist das Pulsieren des Auges vor der Sinnhaftigkeit und Sinnenhaftigkeit des Bildes. Das Vergnügen, sich auf ein Bild einzulassen, macht mehr aus einem Bild“ (S. 189).
„Wenn wir über Bilder reden neigen wir unverbesserlich dazu, in vitalistische und animistische Sprechweisen zu verfallen. Nicht nur, dass sie „das Leben nachahmen“ ist von Belang, sondern, dass diese Nachahmungen „ein Eigenleben“ anzunehmen scheinen“ (Mitchell, 2008, S. 18). Wie Bilder funktionieren oder wirken, liegt, weniger in ihrer semiotisch zu fassenden Logik als in ihrem lebendigen, insbesondere auch von Gefühlen und Motiven bedingten Gebrauch. Es gibt attraktive und abstossende, faszinierende, nichts sagende und animierende Bilder (um einige vitalistische Sprechweisen anzuführen). Auch das Bildspiel ist wie das Wittgensteinsche Sprachspiel letztlich eine Lebensform: Wir spielen mit Bildern und sie mit uns. Und wir „übersetzen“ sie in die Realität.
Das oben wiedergegebene Beispiel greift gar in die“Realität“ ein: Ein Wohnwagen spielt Lokomotive. Und wozu das? Für‘s „Isebähnle“ (Modelleisenbahnwerbung).
  • Doelker, Ch (1997) Ein Bild ist mehr als ein Bild. Stuttgart: Klett-Cotta.
  • Mitchell, W.J.T. (2005) Das Leben der Bilder. München: Beck.
  • Hessler, M. & Mersch, D. (2009) (Hrsg.) Logik des Bildlichen. Bielfeld: Transcript.